Immer mal wieder gibt es auf dem Kindergeschichtenblog etwas nur für die Erwachsenen: In der Elternleben Kolumne „Groß & Klein“ geht es ums Eltern sein und Kinder haben.
Nachts, wenn der Mond scheint, gehen Paare tanzen, ins Kino, etwas Trinken. Doch was machen Elternpaare im magischen Mondlicht? Das Geheimnis ist leicht gelüftet.
Tragen statt Tanzen?
Als mein Mann in seinem Englisch-Kurs verkündete, dass er zum ersten Mal Papa wird, sprang sein Englischlehrer (Vater von drei Kindern) auf den Tisch, lachte und sang voller Inbrunst “This is the End of the World as you know it”. Ja, ja, Kinder verändern alles. Und das betrifft nicht nur die Tage, sondern auch und vor allem die Nächte.
Wenn der Mann und ich eines in der Zeit vor den Kindern gut konnten, dann war das, die Nächte durchzufeiern. Wir starteten meist im ‘Syndikat’, einer Neuköllner Kneipe, nur wenige Meter von unserer Wohnung entfernt. Dort gab es immer irgendeine Soliparty, ein Mensch mit bunten Haaren schrammelte auf einer Gitarre und wir tranken Mord und Totschlag, das süffige dunkle Hausbier. Dann ging es weiter zu noch mehr Livemusik und dann meist noch in einen Club – tanzen. Doch dann kam er, der Abend, an dem mir nach dem ersten Schluck Mord und Totschlag übel wurde und ich sofort nach Hause wollte. Und während ich nach weiteren Tagen der Übelkeit später immer noch darauf beharrte, dass da nur ein Infekt im Anmarsch ist, besorgte der Mann einen Schwangerschaftstest in der Apotheke. Wenige Minuten später starrten wir auf zwei lebensverändernde rosa Streifen. Schluss mit Mord und Totschlag. Schluss mit durchtanzten Nächten.
Dafür hielten wir bald ein nicht mal sechs Pfund schweres kleines bisschen Mensch in unseren Armen. Ein kleines bisschen Mensch, mit einem ziemlich kräftigen Stimmchen. Unser Baby schrie und schrie und schrie und schlief drei Monate lang nur fest angekuschelt im Tragetuch. So haben wir viel getragen. Tag und Nacht. Tragen statt Tanzen war nun das nächtliche Programm.
Doch das kleine Wesen wurde größer und ruhiger und allmählich eroberten wir uns unsere Nächte und unseren Schlaf wieder zurück. Und irgendwann war das Kind so groß, dass es ganz alleine bei Oma und Opa bleiben wollte. Über Nacht. Genau genommen sogar für mehrere Nächte. Und wir schmiedeten große Pläne. Einmal wieder die Vergangenheit aufleben lassen. Einmal wieder Tanzen gehen bis in die frühen Morgenstunden. Am ersten Abend ohne Kind zogen wir gleich los. Erstmal ins Kino. Und dann… Ja dann stellte ich fest, dass ich nicht nur auf unserem Sofa beim Fernsehen, sondern auch im Kino mit Drei-D-Brille im Gesicht und Surroundbeschallung ganz wunderbar nach fünf Minuten Film einschlafen kann. Aber was soll’s, wir hatten ja noch zwei weitere freie Nächte vor uns. Für den nächsten Abend sah der Plan wie folgt aus: erst Livemusik, dann ein Abstecher zu unserem Lieblingswirt Al und dann: TANZEN GEHEN!. Das mit der Livemusik klappte schon einmal hervorragend. Auch bis zu Als Bar schafften wir es ohne Umwege. Al freute sich so, uns nach einer Ewigkeit einmal wieder zu sehen, dass er uns einen Wodka nach dem anderen ausgab. Gegen vier Uhr Morgens fanden wir uns dann nicht tanzend in einem Berliner Club, sondern immer noch Wodka trinkend an Als Bar wieder. Gesprächsthema: Waldorfschulen. Wir waren froh, dass wir es dann noch irgendwie in die U-Bahn und nach Hause schafften. Wieder nichts mit Tanzen. Und am nächsten Abend? Nun, wir mussten dringend einen Kater auskurieren und Schlaf aufholen, denn schließlich wollten wir ja fit sein, wenn der Kleine wieder da ist.
Aber schließlich kam ein lebensverändernder, augenöffnender Silvesterabend. Wir waren samt Kind bei Freunden eingeladen. Doch am Silvestermorgen musste unser jüngstes Familienmitglied sich übergeben. Also sagten wir die Sause ab. Dem Kind ging es im Laufe des Tages wieder blendend. Doch Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste und man will ja niemandem fiese Magen-Darm-Bazillen auf einer Silvesterfeier anschleppen. Es blieb bei der Absage. Ein bisschen feiern wollten wir trotzdem. Außerdem bestand das Kind darauf, bis Mitternacht wach zu bleiben. Es sollte einer der schönsten Silvesterabende werden, die wir je hatten. Wir fingen nämlich irgendwann zwischen frühem Abendessen mit Kind und Mitternacht an, all unsere liebsten Songs aufzulegen. Von System of a Down, über Queens of the Stone Age bis Pearl Jam und Nirvana (sogar Slipknot durfte der Mann ganz kurz auflegen). Und wir tanzten. Zu dritt. Und es gibt kaum etwas besseres als ein musikbegeisteres, tanzendes Kleinkind. Das Kind schlief schließlich irgendwann kurz nach Mitternacht selig auf dem Arm vom Mann ein. Und wir tanzten noch ein bisschen weiter. Manchmal kann man eben alles haben. Auch Tragen UND Tanzen.