Eine meiner liebsten Sagengestalten ist die Frau Holle. Denn hinter der Figur, die wir aus dem gleichnamigen Grimm-Märchen kennen, hinter der gestrengen Alten, die das fleißige Mädchen belohnt und das faule straft, steckt eine weitaus facettenreichere Persönlichkeit. Als alte Frau erscheint die Perchta, wie sie auch genannt genannt wird, ohnehin nur in den kalten Wintermonaten. Im Frühjahr trifft man sie als junges Mädchen und im Sommer als erwachsene Frau. Mal lebt sie in Bäumen und mal in tiefen Seen. Mit ihrem Spinnrad spinnt sie mit den Nornen die Schicksalsfäden. Und in den Rauhnächten fegt sie als Wintergöttin mit der Wilden Jagd durch die Nacht. Mein #sagenhaftersonntag widmet sich darum heute der Frau Holle mit einer kleinen, feinen Geschichte, die weit weniger bekannt ist, als die um Goldmarie und Pechmarie.
Der Wagen der Frau Holle
Ein Holzfäller hatte einst eine seltsame Begegnung. Mit seiner Axt zog er durch den Wald, als er auf einem schmalen Pfad einen Wagen liegen sah. Davor stand eine alte Frau, ganz in schneeweiße Röcke gehüllt. Sie sprach den Holzfäller an, er solle ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen. Der Holzfäller tat wie ihm geheißen. Als er mit der Arbeit fertig war, befahl ihm die Alte, die Späne aufzuraffen und als Lohn für sein Werk mitzunehmen. Dem Holzfäller schien dies recht vergeblich und unnütz, doch die Alte war ihm unheimlich und so hob er, um sie nicht zu verärgern, drei der Späne auf und steckte sie in die Tasche. Als er nach Hause kam und den Mantel ablegte, hörte er ein Klimpern und als er in die Taschen sah, fand er dort statt der drei Späne drei goldene Münzen vor. Rasch lief der Mann zurück in den Wald, um die übrigen Späne zu suchen. Doch als er zu der Stelle kam, an der er der Alten begegnet war, war nichts mehr zu sehen und alles verschwunden.
Wie dumm dass er nicht alle Späne mitgenommen hat….